Eigenem Schicksal entgegen
Eigenem Schicksal entgegen
Mein Vater, Dmitrij Pawlowitsch Sawtschenko, wurde am 8. November 1925 in einer Bauernfamilie geboren. Seine Mutter starb, als er nur drei Jahre alt war. Im Jahre 1933 begann die Hungersnot. Dmitrij überlebte sie. Die Schülerinnen und die Schüler bekamen ja einmal pro Tag einen Teller Suppe. Zu Hause gab es hingegen nichts zu essen. Als der Krieg begann, beendete Dmitry gerade die sechste Klasse. Sein Vater Pawel ging an die Front. Friedliches Leben war zu Ende.
Am 1. Dezember 1942 erhielt Dmitry Sawtschenko von dem Kommandanten der Stadt Huljajpole eine Vorladung nach Deutschland zur Zwangsarbeit. Er wurde mit dem Zug zusammen mit vielen Landsleuten in die deutsche Stadt Essen weggebracht. In Essen war er bei der Straßenreinigung nach der Flugzeugbombardierung eingesetzt.
Am 2. März 1943 wurden Dmitrij und andere 3 Jungen aus Hulyaypole ins Lager Niederhagen in der Nähe von Wewelsburg gebracht. Statt Namens bekam Dmitry die Nummer 133. Innerhalb von 10 Tagen nach der Ankunft in Niederhagen blieb Dmitry ohne seine drei Freunde. Sie überlebten das Lagerregime und harte Arbeit nicht. Dmitri entkam dank der guten Gesundheit sowie der Unterstützung von Kameraden. Bald beschlossen die Nazis das Lager Niederhagen in Wewelsburg aufzulösen.
Ein enormer psychischer Druck und schwere körperliche Arbeit warteten auf Dmitry im Lager Buchenwald. Hier kam er am 12. April 1943 an. Ins Lager wurden die Häftlinge mit den Lastwagen gebracht. Als man auf die Wagen heraufsteigen sollte, schlug ein SS-Mann Dmytro mit dem Gewehrkolben zwischen die Schulterblätter. Der junge Mann hatte keine Kraft mehr, auf den Laster zu steigen. Seine Genossen schleppten den ohnmächtigen Körper Dmitris herauf. In unbewusstem Zustand passierte Dmitry das eiserne Tor mit der zynischen Aufschrift "Jedem das Seine".
In Buchenwald hatte Dmitry die Nummer 12618. Er wurde dem Block Nr. 41 zugeteilt. Hier lebten die Häftlinge aus der Sowjetunion, die zu unterschiedlichen Arbeitsbrigaden gehörten. Der Blockführer bestellte Dmytro an den Bau der Anlage "Gustlofwerke". Die Insassen mussten Gräben für das Fundament des Werks graben. Dann arbeitete Dmitry auf dem Lagerappelplatz im Lagerkommando. Er machte den Appellplatz vom Blut der zusammengeschlagenen Häftlinge sauber. Dmitry verglich den Platz mit der Arena des Kolosseums in Rom, auf der die Gladiatoren gegeneinander gekämpft hatten.
Eines Tages schlugen die SS-Männer ihn nieder, folglich kam er ins Revier. Ein Tscheche Franek betreute den Kranken. Die Behandlung dauerte mehr als einen Monat. Danach wurde Dmitri in ein neues, zuvor unbekanntes KZ Dora geschickt. Dmytros Freund Franek schlug vor, seine Lagernummer gegen eine Nummer eines toten Gefangenen zu tauschen. So könnte Dmitri in Buchenwald bleiben. Aber der junge Mann weigerte sich einer solchen Unterstützung. Dmitry ging seinem eigenen Schicksal entgegen.
Die Führung des Dritten Reiches hatte das KZ "Dora" sorgfältig getarnt. Hier wurden die einzelnen Teile von streng geheimen Waffen (Rakete A4-V2) hergestellt. Doras Gefangenen waren als Buchenwald-Häftlinge registriert. Dmitry kam in Dora mit dem ersten Transport im August 1943 an. Einige Gefangene wurden beim Lagererrichten am Stadtrand von Nordhausen beschäftigt. Der Rest kam in den Tunnel unter dem Berg. Am Ende des Tunnels arbeiteten zivile Deutschen unter Anleitung von Werner von Braun. Die Häftlinge durften nicht dorthin, sie arbeiteten in 44 großen Hallen.
Die Häftlinge wurden nicht geschont. Es war ein Todesurteil. Sie wussten nicht, ob sie die Sonne wieder sehen würden. Dmitro war seit den ersten Tagen seines Aufenthaltes im Tunnel im Baukommando. Er würde in solch schwierigen Bedingungen nicht überleben. Aber zur Hilfe kam der alte weise Kapo Willi. Über ihn wird in dem Artikel im Detail geschrieben.
Der kluge Kapo Willi führte eine sehr humane Innovation ein, die die SS-Männer bewilligten. Er führte eine neue Position ein. Der Gefangene, der wegen Erschöpfung oder Verletzung nicht mehr arbeiten konnte, hatte das Recht, die persönlichen Gegenstände von Commandomitgliedern als Wächter zu beaufsichtigen. Unter einer Voraussetzung - Eine und dieselbe Person durfte nicht mehr als drei aufeinander folgende Wachen halten. Diese dreitägige Ruhepause rettete vielen das Leben. Die Menschlichkeit von Kapo Willy rettete das Leben vielen Gefangenen, nicht nur aus seinem Kommando. Die neue Regel folgte in allen anderen Kommandos in Dora. Einmal rettete sie auch Dmitry.
Später arbeitete Dmitry im Malerkommando. Die meisten Gefangenen dieses Kommandos waren Ukrainer und Franzosen. Sie überlebten in schwierigen Bedingungen dank dem Zusammenhalt. Die französischen Maler „teilten“ die Gefangenen aus der Sowjetunion untereinander auf. Sie passten auf ihre "Schützlinge" auf. Dmitros Freund war der Pariser Andre. Andre rettete einmal den Jungen vor dem Tod. Die Franzosen riskierten ihr Leben, um den ukrainischen Jungen zu retten.
In Dora fehlten jede hygienischen Verhältnisse. Es wurde verboten, sich zu waschen und aus dem einzigen bewachten Wasserhahn zu trinken. Die Leute arbeiteten 12 Stunden am Tag in zwei Schichten. Das Essen bekamen nur diejenigen, die ihre Schicht abarbeiteten und nicht zum Krüppel geworden waren. Die verletzten und erschöpften Häftlinge starben ohne Essen und Trinken, sich zwischen die Fässer verkrochen zu haben. Es war keine Rede von den arbeitsfreien Wochenenden.
Doch der Gott ließ Dmitry in dieser Hölle überleben. Nach acht Monaten konnte er die Sonne wiedersehen. Im März 1944 wurde das Lager in der Nähe des Berges Konstein gebaut. Dorthin brachte man nur jene Gefangene aus dem Tunnel, die die medizinische Kommission durchliefen. Kranke und Verletzte wurden in die leeren Baracken getrieben. Man ließ sie ohne Nahrung sterben.
Man führte den 8-Stunden -Arbeitstag ein, es gab bereits einen freien Tag in der Woche. Das Bad fing an zu funktionieren.
(…)
Nächster Artikel enthält einen Abschnitt aus der Dokumentar-Erzählung "In den geheimnisvollen Tunnels von Dora" unter dem Titel "Kapellmeister Fritz Krause". Es geht von den menschlichen Taten eines Deutschen. Fritz Krause behandelte Gefangene auf gleicher Augenhöhe und nicht als "minderwertige" Sklaven. Er erschien in der Dunkelheit des Tunnels wie ein leuchtender Stern, beleuchtete die Unterdrückten und Betroffenen, teilte seine Wärme und vorzeitig ging in die Welt der Sterne und Gerechten ...».
Im März 1945 wurde Dmytro wie die anderen Gefangenen aus Dora evakuiert. Nach neun Tagen unterwegs, ohne Nahrung und ohne Wasser wurden die Häftlinge ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht.
Am 26. April 1945 begann die Evakuierung des ganzen Lagers. Alle Gefangenen wurden in die Tiefe des Landes getrieben. Die SS-Männer erschossen Häftlinge, wenn jemand nicht selbst gehen konnte. Die Gefangenen waren mehr als eine Woche auf dem Weg. Viele starben auf dem Marsch vor Hunger und Kugeln. Am 3. Mai 1945 erreichte die Kolonne der Häftlinge die Stadt Parchim. Die Bewachung war mit dem Retten ihres eigenen Lebens beschäftigt. Dmitri und die anderen Häftlinge waren frei.
Nach der Befreiung war der junge Dmytro sehr abgemagert. Er war 176 cm, sein Gewicht war nur 42 kg. Dmitry diente an der Demarkationslinie an der Elbe in der Roten Armee. Auf der gegenüberliegenden Seite waren britische Truppen.
Nur 1948 sah er seine Heimat wieder. Dmitro arbeitete zunächst in einem Motorenwerk. Von 1957 bis 1985 arbeitete er in einer Schuhfabrik in Hulyaypole. Am 18. Januar 2005 ging Dmitry Sawtschenko in eine andere Welt.
Oft erinnere ich mich meines Vaters Worte. Er sagte, dass ein Mensch nicht auf nationaler Grundlage, sondern für seine menschlichen Qualitäten beurteilt werden sollte. Er ehrte humanistische Ansichten, hohe moralische Werte. In den Lagern halfen meinem Vater der Tscheche Franek, der Franzose Andre, die Deutschen Willi und Fritz Krause. Jede Nation hat ihre Helden und ihre Schufte. Die Menschen sollen immer nach dem Weg fürs Verständnis und für die Zusammenarbeit suchen.
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